Wortfeld

Unter Wortfeld versteht man in der Sprachwissenschaft allgemein eine Gruppe von bedeutungsähnlichen bzw. bedeutungsverwandten Wörtern.

Nahezu gleichbedeutend mit „Wortfeld“ sind: lexikalisches Feld, Bedeutungsfeld, Begriffsfeld, Sinnbezirk sowie semantisches Feld. Diese Begriffe bilden damit selbst ein Wortfeld. In der neueren Lexikologie wird in diesem Zusammenhang auch von „Synset“ gesprochen, falls es sich um bedeutungsähnliche Wörter handelt.

Den Begriff des „Wortfeldes“ hat Jost Trier 1931 in der Sprachwissenschaft etabliert. Er bezeichnete damit eine Gruppe von sinnverwandten Wörtern einer Sprache, deren Bedeutungen sich gegenseitig begrenzen und die lückenlos einen bestimmten begrifflichen Bereich abdecken sollen.

Definitionen und Rezeption

Definition von Kühn: „Unter einem Wortfeld wird ein lexikalisch-semantisches Paradigma verstanden, das durch das Auftreten eines gemeinsamen semantischen Merkmals zusammengehalten wird, und in dem die Lexeme durch bestimmte semantische Merkmale in Opposition zueinander stehen und damit ein Netz von semantischen Beziehungen konstituieren.“[1]

Definition von Wunderlich: „Ein paradigmatisches lexikalisches Feld ist eine Menge von Wörtern (Ausdrücken) mit ähnlicher Bedeutung. Die Wörter gehören zur selben grammatischen Kategorie und können füreinander in Sätzen eingesetzt (substituiert) werden, ohne dass sich deren Bedeutung dadurch wesentlich ändert. Das Feld kann oft durch einen einzigen Begriff aus der betreffenden Sprache charakterisiert werden.“[2]

Als wesentlich wird betont: „So ist das Feld weniger als ein zweidimensionales Gebilde im Sinne eines Mosaiks zu verstehen, sondern eher als ‚Kraftfeld‘. Seine Eigenschaften sind Geordnetheit, Wechselbestimmtheit (der einzelnen Inhalte), Vollständigkeit (es gibt keine leeren Stellen) und Wohlgeschiedenheit (von anderen Feldern).“[3] Dies dürfte allerdings eine eher idealtypische Beschreibung sein.

Definition von Auer:„Bei einem Wortfeld handelt es sich um eine Menge an teilweise bedeutungsverwandten Wörtern, die den Bestand an Bezeichnungen für ein Bedeutungsspektrum in einer Sprache repräsentieren. Sie stehen in struktureller Hinsicht durch einfache inhaltsunterscheidende Merkmale in Opposition zueinander.“[4]

Der Feldbegriff basiert auf der Grundvorstellung Wilhelm von Humboldts, dass die „Gliederung das allgemeinste und tiefste Merkmal aller Sprache“ sei.[3]

Der Ausdruck Wortfeld wurde 1924 von Gunther Ipsen eingeführt[5] und 1931 von Jost Trier in seinem Werk (Habilitationsarbeit) „Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes“ bahnbrechend übernommen. Die Wortfeldtheorie wurde besonders von Leo Weisgerber im Rahmen seiner „Inhaltbezogenen Sprachwissenschaft“ weiter ausgebaut und systematisiert.[6] Nach Ansicht einiger Autoren „kann (sie) als Vorläufer der strukturellen Semantik gelten“.[7]

Der Theorie vom Wortfeld wird vorgeworfen, dass „sie eher intuitiv und weniger auf expliziten Regeln aufgebaut ist“[7] und die „objektive Festsetzung der ‚Feldgrenze‘ […] ein Problem“ sei.[8] Die „Feldauffassung“ von Trier/Weisgerber wurde in der Folge der philosophischen Deutung der Felder, „die als sprachliche Zwischenwelt bezeichnet wurden, stark kritisiert“.[1] Die Zwischenwelt-Theorie von Leo Weisgerber dürfte aber auf einer „neohumboldtianischen Sprachauffassung“[3] beruhen, die für die Entwicklung der Wortfeldtheorie von grundlegender Bedeutung war.

Die Wortfeldtheorie wurde formalisiert durch strukturalistische Arbeiten zur semantischen Komponentenanalyse. Wortfelder dienen der Analyse semantischer Relationen zwischen Lexemen und dienen als „Mittel der Beschreibung lexikalischer Teilsysteme“.[1] Untersuchungen zur empirischen Fundierung von Wortfeldern stellen Goeke und Kornelius dar.[9]

Beispiel

Eine wichtige Methode zur Ordnung und Differenzierung von Wortfeldern ist die sogenannte Merkmalanalyse. Der Begriff geht auf Bernard Pottier (1963)[10] zurück.[11] So wird z. B. das bedeutungsunspezifische Lexem „sterben“ spezifiziert durch die folgenden Merkmale. Mit der Darstellung eines Wortfeldes im Anschluss an Weisgerber/Baumgärtner[2][12] sterben angeführt.

sterben
Bereich Begriff
[A] äußerlich verursacht:
  1. umkommen
[A I] durch Krankheit und Verletzung
  1. im Krieg
  2. durch Krankheit und Verletzung
    1. qualvoll
  1. fallen
  2. erliegen
    1. verröcheln
[A II] durch Mangel
  1. an Nahrung
  2. an Flüssigkeit
  3. an Luft
  4. an Blut
  1. verhungern
  2. verdursten
  3. ersticken
  4. verbluten
[A III] durch Einwirkung:
  1. von Kälte
  2. von Feuer
  3. von Wasser
  1. erfrieren
  2. verbrennen
  3. ertrinken
[B] qualvoll
  1. zugrunde gehen

Diese Analyse ähnelt der der Generativen Semantik von Jerry Fodor, George Lakoff, James McCawley u. a., die freilich die Wortfeldtheorie und die Weisgerberschen Positionen nicht rezipiert haben.

„Huck and Goldsmith mention two different definitions of ‘kill’ - McCawley defines it as ‘cause to become not alive’, Fodor states that ‘the meaning of kill is not the same as the meaning of cause to die’.“[13]

Differenzierungen

Man kann zwischen geschlossenen und offenen Wortfeldern unterscheiden. Als Beispiele für geschlossene Wortfelder werden Wochentage oder Monatsnamen, als Beispiel für ein offenes Wortfeld das der Namen für Farben genannt.[14]

Als besondere Form von Wortfeldern können syntagmatische lexikalische Felder angesehen werden. „Ein syntagmatisches lexikalisches Feld ist ein Paar von Wörtern (Ausdrücken), die in einer syntaktischen Konstruktion aufeinanderfolgen und stets aufeinander bezogen sind […]. Die entsprechenden Wörter in den Paaren gehören zu derselben grammatischen Kategorie und zum selben paradigmatischen Feld.“ Beispiele: Tierlaute: Hund/bellen; Löwe/brüllen; Hirsch/röhren; Frosch/quaken.[2]

Wortfeld und Sprachvergleich

Werden zwei Sprachen miteinander verglichen, zeigt sich regelhaft, dass die einzelnen Wortfelder häufig sehr unterschiedlich gegliedert, aber auch verschiedentlich dicht besetzt sind. Damit sind bestenfalls nur Teilentsprechungen möglich oder auch gar keine Entsprechungen.[15]

Siehe auch

Literatur

  • Ingrid Kühn: Lexikologie. Eine Einführung. Niemeyer, Tübingen 1994, ISBN 3-484-25135-2. (Germanistische Arbeitshefte; 35)
  • Dieter Wunderlich: Arbeitsbuch Semantik. 2. Auflage. Verlag Anton Hain, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-445-03051-0.
  • Hermann Stadler (Hrsg.): Deutsch. Neuausg. Fischer-Taschenbuchverlag, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-596-15600-9. (Fischer Kolleg Abiturwissen; Bd. 5)
  • Gunther Ipsen, Johannes Friedrich, Iorgu Iordan: Stand und Aufgaben der Sprachwissenschaft. Festschrift für Wilhelm Streitberg. Winter, Heidelberg 1924.
  • Leo Weisgerber: Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik. Verlag Schwann, Düsseldorf 1962. (Von den Kräften der deutschen Sprache; 1)
  • Dietrich Homberger: Sachwörterbuch zur Sprachwissenschaft. Reclam, Ditzingen 2000, ISBN 3-15-010471-8.
  • Heidrun Pelz: Linguistik. Eine Einführung. Hoffmann & Campe, Hamburg 1996, ISBN 3-455-10331-6.
  • Dieter Goeke, Joachim Kornelius: Wortfelder aus bemessenen Ordnungen. Ein empirischer Beitrag zur Wortfelderforschung. Wissenschaftlicher Verlag, Trier 1984, ISBN 3-922031-95-1.
  • Winfried Ulrich: Linguistische Grundbegriffe. 5. Auflage. Bornträger Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-443-03111-0.
  • Veronika Haderlein: Semantik bei der Arbeit mit zentralen Wortschätzen. Anforderungen und Möglichkeiten. In: Stefan Langer, Daniel Schnorbusch (Hrsg.): Semantik im Lexikon. Narr-Verlag, Tübingen 2004, ISBN 3-8233-6099-X, S. 10–32.
  • Horst Geckeler: Strukturelle Semantik und Wortfeldtheorie. 3. Auflage. München 1982.
  • Rudolf Hoberg: Die Lehre vom sprachlichen Feld. Ein Beitrag zu ihrer Geschichte, Methodik und Anwendung. Düsseldorf 1970.
  • Peter Kühn: Typen lexikographischer Ergebnisdarstellung. In: Werner Besch u. a. (Hrsg.): Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung. Bd. 1.1. De Gruyter, Berlin 1982, ISBN 3-11-005977-0, S. 707–723.
  • Jost Trier: Der deutsche Wortschatz im Sinnbezirk des Verstandes. Von den Anfängen bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts. Winter, Heidelberg 1973, ISBN 3-533-00535-6 (zugl. Habilitationsschrift, Universität Marburg 1928).
  • Jost Trier (Autor); Anthony van der Lee (Hrsg.), Oskar Reichmann (Hrsg.): Aufsätze und Vorträge zur Wortfeldtheorie. Paris 1973. (Janua linguarum; 174)
  • Werner Zillig: Wörter, Felder und Wortfelder. Ein Essay über eine sprachwissenschaftliche Metapher. In: Ders. (Hrsg.): Jost Trier. Leben, Werk, Wirkung. Aa-Verlag, Münster 1994, ISBN 3-930472-48-1, S. 129–203.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Ingrid Kühn: Lexikologie. Eine Einführung. S. 56.
  2. a b c Dieter Wunderlich: Arbeitsbuch Semantik. S. 235.
  3. a b c Hermann Stadler (Hrsg.): Deutsch (Fischer Kolleg Abiturwissen; 5), S. 28.
  4. Peter Auer (Hrsg.): Sprachwissenschaft. Grammatik-Interaktion-Kognition. J. B. Metzler, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-476-02365-0, S. 127
  5. Gunther Ipsen: Stand und Aufgaben der Sprachwissenschaft. Heidelberg (1924), S. 224–225
  6. Leo Weisgerber: Grundzüge der inhaltbezogenen Grammatik. S. 162 ff.
  7. a b Dietrich Homberger: Wortfeld. In: Ders.: Sachwörterbuch zur Sprachwissenschaft.
  8. Heidrun Pelz: Linguistik. S. 195.
  9. Dieter Goeke, Joachim Kornelius: Wortfelder aus bemessenen Ordnungen. Ein empirischer Beitrag zur Wortfeldforschung. WVT, Trier 1984
  10. Bernard Pottier: Recherches sur l’analyse sémantique en linguistique et en traduction mécanique. Bd. 2 Publications linguistiques de la Faculté des Lettres et des Sciences Humaines de Nancy, Université de Nancy, 1963
  11. Daniela Pirazzini: Theorien und Methoden der romanischen Sprachwissenschaft. Bd. 59 Romanistische Arbeitshefte, Walter de Gruyter, Berlin 2013, ISBN 3-11-030989-0, S. 72
  12. Winfried Ulrich: Wortfeld. In: Ders.: Linguistische Grundbegriffe.
  13. Discussion questions and comments. University of South Carolina, Linguistics
  14. Veronika Haderlein: Semantik bei der Arbeit mit zentralen Wortschätzen. In: Stefan Langer, Daniel Schnorbusch: Semantik im Lexikon, S. 22.
  15. Christiane Nord: Lernziel: Professionelles Übersetzen Spanisch-Deutsch. Ein Einführungskurs in 15 Lektionen. Gottfried Egert, Wiesloch 2001, ISBN 3-926972-87-4, S. 200 f.