Wissenschaftsrat (Deutschland)

Das Logo des Wissenschaftsrats

Der Wissenschaftsrat ist das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium in Deutschland. Er wurde am 5. September 1957 gegründet und berät Bund und Länder in Fragen der inhaltlichen und strukturellen Weiterentwicklung des Hochschulsystems sowie der staatlichen Förderung von Forschungseinrichtungen. Der Sitz befindet sich in Berlin, die Geschäftsstelle ist in Köln angesiedelt.

Aufgaben

Seine Beratungsfunktion erfüllt der Wissenschaftsrat hauptsächlich durch die Erarbeitung von Empfehlungen, die auch veröffentlicht werden. Diese Empfehlungen können sowohl einzelne wissenschaftliche Institutionen (Universitäten, Fachhochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen) als auch übergreifende Fragestellungen des Wissenschaftssystems (zum Beispiel Hochschulzugang, Lehrerbildung, Hochschulmedizin) betreffen.

Stellungnahmen (Auswahl)

In der jüngeren Vergangenheit äußerte sich der Wissenschaftsrat in seinen Stellungnahmen, Empfehlungen und Positionspapieren unter anderem zum Hochschulbau[2][3] (2022), zur Transformation des wissenschaftlichen Publizierens zu Open Access[4][5] (2022) und zur Wissenschaftskommunikation[6][7] (2021). 2020 veröffentlichte er das Positionspapier „Impulse aus der COVID-19-Krise für die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland“[8], in dem zehn Herausforderungen für krisenfeste Forschung beschrieben werden.[9] 2019 forderte er mehr Mittel für die Friedens- und Konfliktforschung.[10][11] Im selben Jahr (2019) erschien eine Stellungnahme zur Weiterentwicklung der Universitätsmedizin in Nordrhein-Westfalen.[12] 2016 erstellte der Wissenschaftsrat ein Positionspapier zum Wissens- und Technologietransfer.[13] Im Jahr 2015 rief er in einem Positionspapier[14] unter dem Titel Große gesellschaftliche Herausforderungen, international als “societal challenges” oder “grand challenges”[15] bezeichnet, dazu auf, „Wissen zu ökologischen, technologischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Aspekten eines Transformationsprozesses zusammenzuführen bzw. flexibel neu zu kombinieren.“

Daneben hat der Wissenschaftsrat im Laufe der Zeit eine Reihe von Einzelaufgaben übernommen:

Bisherige Vorsitzende
Name Jahr
von bis
Helmut Coing 1958 1961
Ludwig Raiser 1961 1965
Hans Leussink 1965 1969
Reimar Lüst 1969 1972
Theodor Heidhues 1972 1976
Wilhelm A. Kewenig 1976 1979
Andreas Heldrich 1979 1982
Hans-Jürgen Engell 1982 1985
Heinz Heckhausen 1985 1987
Kurt Kochsiek 1987 1989
Dieter Simon 1989 1993[16]
Gerhard Neuweiler 1993 1994
Karl-Heinz Hoffmann 1994 1996
Dagmar Schipanski 1996 1998
Winfried Schulze 1998 2001
Karl Max Einhäupl 2001 2006
Peter Strohschneider 2006 2011
Wolfgang Marquardt 2011 2014[17]
Manfred Prenzel 2014 2017
Martina Brockmeier 2017 2020[18]
Dorothea Wagner 2020[18]

Trägerschaft und Organisation

Träger des Gremiums sind die Regierungen des Bundes und der Länder. Die Vollversammlung des Wissenschaftsrats besteht aus zwei gleichberechtigten Kommissionen. Die Wissenschaftliche Kommission besteht aus 24 Wissenschaftlern und 8 Repräsentanten des öffentlichen Lebens. Sie werden vom Bundespräsidenten berufen. Die 24 Wissenschaftler werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Leibniz-Gemeinschaft, der Hochschulrektorenkonferenz, Max-Planck-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft gemeinsam vorgeschlagen. Die 8 Repräsentanten des öffentlichen Lebens werden von Bundes- und Landesregierungen gemeinsam vorgeschlagen.[19] Die Verwaltungskommission besteht aus je einem entsandten Vertreter der sechzehn Länder und sechs Vertretern des Bundes, wobei letztere jedoch 16 Stimmen besitzen, so dass auch die Verwaltungskommission auf 32 Stimmen kommt. Vollversammlungen des Wissenschaftsrats finden vierteljährlich statt und müssen ihre Beschlüsse mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen. Die Geschäftsstelle des Wissenschaftsrats ist in Köln. Dort betreuen etwa 100 Mitarbeiter – davon 50 Wissenschaftler – die Arbeit des Wissenschaftsrats in seinen Gremien und Ausschüssen. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats wird jeweils für ein Jahr bestimmt und vertritt den Wissenschaftsrat nach außen.

Siehe auch

Literatur

  • Olaf Bartz: Der Wissenschaftsrat. Entwicklungslinien der Wissenschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1957–2007. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-515-09074-2.
  • Olaf Bartz: Wissenschaftsrat und Hochschulplanung. Leitbildwandel und Planungsprozesse in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1957 und 1975, Diss., Köln 2005. (als elektronische Ressource verfügbar)
  • Berger, Rolf: Zur Stellung des Wissenschaftsrats bei der wissenschaftspolitischen Beratung von Bund und Ländern. Nomos-Verlag, Baden-Baden 1974, ISBN 3-7890-0109-0.
  • Friedhelm Neidhardt: Institution, Organisation, Interaktion: Funktionsbedingungen des Wissenschaftsrats, In: Leviathan – Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft. 40(2), 2012, S. 271–296.
  • Hans Christian Röhl: Der Wissenschaftsrat. Kooperation zwischen Wissenschaft, Bund und Ländern und ihre rechtlichen Determinanten, Nomos, Baden-Baden 1994, ISBN 3-7890-3480-0.
  • Andreas Stucke: Der Wissenschaftsrat. In: Falk, Svenja/Rehfeld, Dieter/Römmele, Andrea/Thunert, Martin (Hrsg.): Handbuch Politikberatung. VS Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-531-14250-0, S. 248–254.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Geschäftsordnung des Wissenschaftsrates in der vom Wissenschaftsrat am 20. Januar 2017 verabschiedeten Fassung. (pdf) Wissenschaftsrat, 20. Januar 2017, S. 2, abgerufen am 24. Februar 2021 (§5).
  2. Probleme und Perspektiven des Hochschulbaus 2030 | [email protected] (PDF 1 MB), Januar 2022, abgerufen 10. Februar 2022.
  3. https://www.tagesspiegel.de/wissen/marode-unigebaeude-und-moderne-lehre-sanierungsstau-von-60-milliarden-euro-beim-hochschulbau/28001788.html, abgerufen 10. Februar 2022.
  4. Empfehlungen zur Transformation des wissenschaftlichen Publizierens zu Open [email protected] (PDF 1 MB), Januar 2022, abgerufen 10. Februar 2022.
  5. https://open-access.network/services/news/artikel/wissenschaftsrat-fordert-open-access-als-standard, abgerufen 10. Februar 2022.
  6. Wissenschaftskommunikation | [email protected] (PDF 928 KB), abgerufen 10. Februar 2022.
  7. https://www.jmwiarda.de/2021/11/08/bitte-schaut-%C3%BCber-den-eigenen-tellerrand-hinaus/, abgerufen 10. Februar 2022.
  8. Impulse aus der COVID-19-Krise für die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland | [email protected] (PDF 818 KB), abgerufen 10. Februar 2022.
  9. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/120480/Wissenschaftsrat-Zehn-Herausforderungen-fuer-krisenfeste-Forschung, abgerufen 10. Februar 2022.
  10. Wissenschaftsrat: Bund soll Friedens- und Konfliktforschung finanziell stärken. zwd Politikmagazin, 15. Juli 2019, abgerufen am 24. Januar 2021.
  11. Die Friedens- und Konfliktforschung stärken. gruene-fraktion-nrw.de, 8. November 2019, abgerufen am 24. Januar 2021.
  12. Stellungnahme zur Weiterentwicklung der Universitätsmedizin [email protected] (PDF 5 MB), abgerufen 10. Februar 2022.
  13. uni-muenster.de vom 29. Januar 2020, „Transfer ist nicht etwas für den Feierabend“, abgerufen am 24. Januar 2021
  14. Zum wissenschaftspolitischen Diskurs über Große gesellschaftliche Herausforderungen@wissenschaftsrat.de (PDF 356 KB), April 2015, abgerufen 28. Januar 2017
  15. Große gesellschaftliche Herausforderungen@uni-heidelberg.de, Joachim Funke, Psychologisches Institut Heidelberg, abgerufen 28. Januar 2017
  16. Zeitzeugen der Wendezeit, Prof. Dr. Dieter Simon (*1935) Rechtswissenschaftler. weltwissen-berlin.de, abgerufen am 23. Januar 2021.
  17. CV Wolfgang Marquardt. Leopoldina - Nationale Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 23. Januar 2021. (PDF)
  18. a b Wagner ist neue Vorsitzende des Wissenschaftsrats. Politik & Kommunikation, 7. Februar 2020, abgerufen am 23. Januar 2021.
  19. z. B. Hans-Heinrich Trute: Die Forschung zwischen grundrechtlicher Freiheit und staatlicher Institutionalisierung: das Wissenschaftsrecht als Recht kooperativer Verwaltungsvorgänge. Tübingen 1994, S. 704