Privatrecht

Einteilung des (objektiven) Rechts
Anm.: Das Strafrecht wird zwar, wie auch hier in der Grafik, zumeist als eigenständiges Rechtsgebiet dargestellt beziehungsweise behandelt, zählt jedoch trotzdem formal zum öffentlichen Recht.
Einteilung des Privatrechts

Das Privatrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen Rechtssubjekten und steht in Abgrenzung zum öffentlichen Recht, das der Staatserhaltung dient. Gefasst werden die Beziehungen natürlicher und juristischer Personen unter- und zueinander und weiterhin die Beziehungen zu Sachen sowie die Relationen der Sachen untereinander. Die seit der Römischen Republik nachweisbaren kulturanthropologischen Grundlagen lassen sich charakteristisch an Grundbegriffen verdeutlichen wie Person, Besitz und Vertrag. Diese Grundbegriffe erlauben es, das natürliche Verhältnis des Menschen zu sich selbst, zu anderen Menschen und zu Sachen zu erfassen, zu formalisieren und zu strukturieren. So wird durch die Formen des Rechts der natürliche Mensch zum Bürger, der Besitz zum Eigentum und Übereinkünfte werden zu Verpflichtungsgeschäften.

Die Bezeichnungen Bürgerliches Recht und Zivilrecht (Übersetzungen des lateinischen Terminus ius civile) werden häufig synonym verwendet, obwohl sie im Kern nur die Teilmenge des „allgemeinen Privatrechts“ bezeichnen, im deutschen BGB mithin die Kategorien Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Recht der Schuldverhältnisse, Sachenrecht, Familien- und Erbrecht.

Dieser Logik folgend, gliedert sich das Privatrecht in das Allgemeine Privatrecht und das Sonderprivatrecht (auch: sonstiges Privatrecht). Während das Bürgerliche Recht grundlegende Regeln über Personen, Sachen und Schuldverhältnisse (in der Schweiz: Obligationen) zusammenfasst, ist das Sonderprivatrecht – gelegentlich auch als Wirtschaftsprivatrecht bezeichnet – weitgehend eigenständig kodifiziert, etwa im Handels-, Arbeits-, Miet- oder Wettbewerbsrecht.

In der Rechtswissenschaft steht das Privatrecht neben dem öffentlichen Recht, wobei letzteres das Strafrecht mit umfasst (vgl. Abgrenzung des öffentlichen zum Privatrecht). Das Privatrecht geht für seinen Grundsatz der Privatautonomie von der Freiheit des Willens aus, Voraussetzung für den Einzelnen, mit anderen in Rechtsbeziehungen treten zu können oder auch darauf zu verzichten. Einschränkungen kann die Umsetzung des freien Willens durch Monopole oder die Finanzmacht Einzelner erfahren. Der staatliche Einfluss nimmt grundsätzlich keinen Einfluss auf die privatautonome Ausgestaltung.

Allgemeines Privatrecht

Geschichtlicher Kurzabriss

Recht, Rechtsordnung und Rechtsbefugnisse waren Bestandteil des römischen Rechts, ohne dass zwischen einem privaten Recht (ius privatum) und einem öffentlichen Recht (ius publicum) explizit unterschieden worden wäre. Dazu fehlte es an einer Theorie der Allgemeinbegriffe des Rechts. Sie wurde weder in der Anfangszeit, noch zu Hochzeiten der juristischen Entwicklung in der (Vor-)Klassik oder in der Spät- und Endphase des Römischen Reichs entwickelt. Es entwickelte sich früh ein mehrschichtiges Privatrecht, das aus ius civile, ius honorarium und ius gentium bestand und das im Rahmen von Modernisierungen bis auf das ius civile zurückgebaut wurde. Die Juristenschriften äußern sich mit den Begriffen mos maiorum, ius, iustitia[1] oder iuris prudentia. Griechische Einflüsse – insbesondere der Stoa – lieferten den philosophischen Unterbau. Im Privatrecht unterstrichen iustum (Rechtseinklang), legitimum (Übereinstimmung mit dem Volksgesetz) und aequitas (Gerechtigkeit) das Rechtsgefühl.[2]

Die Rechtsmaterien wurden im Laufe der der römischen Rechtsepochen und seiner Rezeptionsgeschichte (Rechtsgeschichte) unterschiedlich gefasst. Das nachbehandelte Institutionensystem folgte dem Schema der Unterscheidung zwischen Personen- und Familienrecht (personae), Vermögensrecht (res) und Prozessrecht (actiones). Das Pandektensystem gliedert sich in einen fünfteiligen Apparat.

Gliederung nach dem Pandektensystem

Einteilung des Bürgerlichen Rechtes (Zivilrecht) nach dem Pandektensystem

Die Gliederung nach dem Pandektensystem, begrifflich hergeleitet aus den römischrechtlichen Pandekten (auch Digesten), teilt das Zivilrecht in fünf (beziehungsweise sechs, mit eigenständigem Personenrecht) Teilbereiche ein: Allgemeiner Teil (in der Regel mit Personenrecht), Schuldrecht, Sachenrecht, Erbrecht, Familienrecht. Diesem pandektistischen Schema folgen das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und das schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB).

Gliederung nach dem Institutionensystem

Einteilung des Bürgerlichen Rechtes (Zivilrecht) nach dem Institutionensystem

Die Gliederung des Zivilrechtes nach dem Institutionensystem, das nach dem Hauptwerk des klassischen römischen Juristen Gaius benannt ist, folgt der Einteilung nach den kategorialen Begriffen „Personen“ und „Sachen“ sowie deren Strukturen und Relationen zueinander (Person zu Person, Person zu Sache, Sache zu Sache). Die Formen des Rechts ermöglichen, dass der Mensch zusätzlich zum Bürger wird, Besitz zu Eigentum und eine Übereinkunft zum Vertrag. Daher wird Rechtsschutz geboten. In der Zeit der ersten großen Kodifikationswelle des frühen 19. Jahrhunderts, wurde diese Einteilung in den französischen Code civil und in das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) aufgenommen.[3]

Die Einteilung gliedert sich grundsätzlich folgendermaßen:

Das österreichische ABGB folgt diesem Schema, jedoch ohne das Prozessrecht einzubeziehen:

  • Einleitung
  • Personenrecht: Personenrecht (vgl. allgemeiner Teil), Familienrecht
  • Sachenrecht
  • Gemeinsame Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte

Sonderprivatrecht

Handelsrecht

Das Handelsrecht wird als „Sonderprivatrecht der Kaufleute“ bezeichnet.[5] Es beinhaltet Rechtsnormen, die für Kaufleute gelten, mithin Bestimmungen zu Handelsgeschäften, zur Firmierung des Kaufmannes, zu kaufmännischen Hilfspersonen (Handelsmakler, Handelsvertreter, Kommissionäre, Spediteure, Lagerhalter) sowie weiter im Bereich des Gesellschaftsrechts und Regeln über Personen- und Kapitalgesellschaften.

Für all diese Rechtsgebiete gilt, dass die Normen des allgemeinen Privatrechts subsidiär gelten, sodass z. B. für Handelsgeschäfte grundsätzlich allgemeines Privatrecht gilt, jedoch modifiziert und erweitert durch die Normen des Handelsrechts.

Dieses subsidiäre Verhältnis findet in Deutschland seine Kodifizierung in Art. 2 Abs. 1 EGHGB. In der schweizerischen Rechtstradition wurde ein eigenständiges kaufmännisches Handelsrecht seit jeher abgelehnt, dies mit der Begründung einer demokratischen Gleichheit aller Personen, die eine besondere Behandlung der Kaufleute nicht rechtfertige. Trotzdem finden sich im OR vereinzelt Sonderregeln für den kaufmännischen Verkehr (z. B. Art. 190 OR), die sachgerechte Differenzierungen ermöglichen sollen.

Arbeitsrecht

Das Arbeitsrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen Arbeitnehmern und Arbeitgebern (Individualarbeitsrecht) sowie zwischen den Koalitionen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber und zwischen Vertretungsorganen der Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber (kollektives Arbeitsrecht).

Die Normen des Arbeitsrechtes enthalten vielfach (einseitig) zwingende Vorschriften zugunsten des Arbeitnehmers. Auch hier gelten die Normen des allgemeinen Privatrechts subsidiär.

Weitere Bereiche

Weitere Sonderprivatrechtsbereiche sind z. B. das Mietrecht, das Verkehrszivilrecht, das Konsumentenschutzrecht oder das Wertpapierrecht, wobei anzumerken ist, dass das Mietrecht, das Verkehrszivilrecht und das Konsumentenschutzrecht oft gemeinsam mit dem Bürgerlichen Recht (Schuldrecht/Vertragsrecht) behandelt werden und das Wertpapierrecht eine immanente Nahebeziehung zum Handelsrecht hat.

Kodifikationen

Eine Kodifikation des Zivilrechts erfolgte in Deutschland 1900 mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), in Österreich 1812 mit dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), in der Schweiz 1883 mit dem Schweizerischen Obligationenrecht (OR) und 1912 mit dem Zivilgesetzbuch (ZGB), in Frankreich 1804 mit dem Code civil (Code Napoléon) und in Italien mit dem Codice civile. Besonders der Code civil hatte eine starke Ausstrahlungskraft und war Vorbild für die übrigen Kodifikationen der sogenannten Civil Law Countries.

Bevor das Deutsche Kaiserreich das Bürgerliche Gesetzbuch einführte, gab es in einigen deutschen Teilstaaten bereits ein kodifiziertes Landrecht, so den Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 in Bayern und das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 (ALR). Manche Landrechte basierten auf dem Code civil, z. B. das Badische Landrecht von 1810.

Bereits im Mittelalter hatten viele Territorien des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation ein kodifiziertes Landrecht, das jedoch neben dem Zivilrecht auch andere Rechtsbereiche (z. B. Straf- und Verfassungsrecht) regelte.

Internationales Privatrecht

Bei privatrechtlichen Fällen mit Auslandsbezug (z. B. bei Eheschließung von zwei Personen unterschiedlicher Staatsbürgerschaft, bei einem Schadensfall im Ausland oder bei internationalen Verträgen) bestehen besondere Kollisionsnormen, die bestimmen, welches Privatrecht anzuwenden ist. Dieser Rechtsbereich wird – etwas missverständlich – als Internationales Privatrecht bezeichnet.

Einzelne Rechtsmaterien haben völkerrechtliche Regelungen erhalten, die dann den nationalen Regelungen vorangehen, so insbesondere der internationale Warenkauf durch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenverkauf vom 11. April 1980, dem auch Deutschland, Österreich und die Schweiz beigetreten sind.

Die weltweit einzigartige Möglichkeit, privatrechtliche Ansprüche aus jedem Land der Welt vor einem US-Gericht einzuklagen, wird durch den US-amerikanischen Alien Tort Claims Act geregelt.

Literatur

Römisches Privatrecht

Privatrechtsgeschichte der Neuzeit

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ulpian, Digesten 1.1.10 pr./1.
  2. Max Kaser: Das Römische Privatrecht. Erster Abschnitt. Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht. C. H. Beck Verlag München 1955 (Zehnte Abteilung, Dritter Teil, Dritter Band, Erster Abschnitt) § 48, S. 172–175.
  3. Vgl. dazu näher Okko Behrends, Wolfgang Sellert (Hrsg.): Der Kodifikationsgedanke und das Modell des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). 9. Symposium der Kommission „Die Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart“. In: Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen.(Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge Nr. 236). Vandenhoeck & Ruprecht 2000. ISBN 3-525-82508-8, S. 9–12 und 12–19.
  4. Volker Mayer: Wirtschaftsrecht Band 1, Rechtsgeschäftslehre, Schuldverhältnisse, Handelsgeschäfte. 1. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-17-030513-7, S. 11 (Fn. 1 zu Rdnr. 10) und passim.
  5. Volker Mayer: Wirtschaftsrecht Band 1, Rechtsgeschäftslehre, Schuldverhältnisse, Handelsgeschäfte. 1. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-17-030513-7, S. 123 ff.