Bundeswahlgesetz

Basisdaten
Titel: Bundeswahlgesetz
Abkürzung: BWahlG (nicht amtl.),
BWG (nicht amtl.)
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Staatsrecht
Fundstellennachweis: 111-1
Ursprüngliche Fassung vom: 7. Mai 1956
(BGBl. I S. 383)
Inkrafttreten am: 23. Mai 1956
Neubekanntmachung vom: 23. Juli 1993
(BGBl. I S. 1288, ber. S. 1594)
Letzte Änderung durch: Art. 2 G vom 3. Juni 2021
(BGBl. I S. 1482)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
1. Januar 2022
(Art. 3 G vom 3. Juni 2021)
GESTA: B139
Weblink: BWahlG
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Bundeswahlgesetz (BWahlG oder BWG) regelt in Deutschland gemäß Art. 38 Abs. 3 Grundgesetz (GG) das Bundestagswahlrecht. Demnach besteht der Deutsche Bundestag ohne Überhang- und Ausgleichsmandate aus 598 Abgeordneten. Als Wahlsystem legt das Bundeswahlgesetz für die Bundestagswahlen eine mit Personenwahl verbundene Verhältniswahl fest (personalisiertes Verhältniswahlrecht).

Geschichte

Bereits im 19. Jahrhundert gab es in Deutschland Bundeswahlgesetze. Der Bundestag des Deutschen Bundes veröffentlichte Ende März/Anfang Mai 1848 zwei Beschlüsse, die gemeinsam als Bundeswahlgesetz bekannt wurden. Darin wurden die Grundsätze für die Wahl der Frankfurter Nationalversammlung festgehalten. Im Norddeutschen Bund beschloss 1869 der Norddeutsche Reichstag ein Bundeswahlgesetz, das erstmals 1871 für die erste Reichstagswahl im Kaiserreich angewendet wurde. Es blieb bis 1918 in Kraft. Seit dem 30. April 1920 galt das Reichswahlgesetz.

Zu den ersten beiden Bundestagswahlen hat es separate Wahlgesetze gegeben. Der Parlamentarische Rat beschloss, aufgrund der Vorgaben der Militärregierung und verändert nach der Ministerpräsidentenkonferenz, das Wahlgesetz zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 (BGBl. S. 21, mit Änderung vom 5. August 1949, BGBl. S. 25). Es war nur ein Rahmengesetz, das viele Detailfragen den Ländern überlassen hat, die auch getrennte Wahlgebiete gebildet haben. Danach folgte das Wahlgesetz zum zweiten Bundestag und zur Bundesversammlung vom 8. Juli 1953 (BGBl. I S. 470), das außer der Sperrklausel die Änderungen der Ministerpräsidenten rückgängig gemacht und das Zweistimmenwahlrecht eingeführt hat.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 25. Juli 2012 Teile des BWahlG (den § 6) für verfassungswidrig erklärt.[1] Eine daraufhin mit den Stimmen von Union, SPD, FDP und Grünen verabschiedete Reform des Sitzzuteilungsverfahrens nach der Wahl zum Deutschen Bundestag ist am 9. Mai 2013 in Kraft getreten.[2]

Grundprinzipien

In Art. 38, Art. 39 und Art. 41 GG sind nur wenige, jedoch strenge Voraussetzungen für eine Wahl enthalten. Diese sind:

Diese Regelung ist nach ständiger Staatspraxis und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts mit dem Prinzip der allgemeinen Wahl vereinbar.

  • Fünf Wahlrechtsgrundsätze:
    • Allgemeine Wahl: Alle Deutschen sind (bis auf wenige Ausnahmen) ab dem Mindestalter berechtigt zu wählen und gewählt zu werden.
    • Unmittelbare Wahl: Keine Zwischenschaltung von Wahlfrauen und -männern, zulässig ist jedoch die Listenwahl nach § 4 und § 27 BWahlG, die Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG konkretisiert (§ 1 Abs. 2 Parteiengesetz).
    • Freie Wahl: Eine Wahl ist frei, wenn der Wähler nicht auf eine bestimmte Wahlentscheidung festgelegt ist, sondern sich zwischen Alternativen entscheiden kann. Eine gesetzliche Wahlpflicht (wie z. B. in Belgien) wäre nach Art. 20 Abs. 2 GG zulässig, nicht hingegen Wahlwerbung auf Staatskosten. Davon ist jedoch die allgemeine (und zulässige) Öffentlichkeitsarbeit der Regierung zu unterscheiden.
    • Gleiche Wahl: Jede Stimme soll den gleichen Zählwert und die gleiche Erfolgschance haben. Daher müssen die Wahlkreise etwa gleich groß an Stimmen sein (Gefahr des Gerrymandering). Unter den Grundsatz der Wahlgleichheit fällt auch die Wahl des Sitzzuteilungsverfahrens. Bis zur Bundestagswahl 1983 kam das D’Hondt-Verfahren zum Einsatz, das große Parteien bevorzugt. Danach kam bis zur Bundestagswahl 2005 das Hare-Niemeyer-Verfahren zum Einsatz, das das Ergebnis proportional abbildet, aber in bestimmten Fällen zu Paradoxien führt. Seither wird das Sainte-Laguë-Verfahren verwendet.
    • Geheime Wahl: Der Wähler ist berechtigt, dass seine eigene Entscheidung geheim bleibt. Problematisch ist dies lediglich bei der Briefwahl (§ 36 BWahlG). Diese sieht man jedoch als gerechtfertigt an, da ansonsten die höherwertige Allgemeinheit der Wahl beeinträchtigt werden würde.

Daneben wird auf einfachgesetzlicher Ebene, nämlich im Bundeswahlgesetz selbst als dessen mit Abstand wichtigste Bestimmungen, festgelegt:

  • Verhältniswahl: Zwar wird die Hälfte der Abgeordneten in Mehrheitswahl in den Wahlkreisen mit der Erststimme gewählt, aber die Zusammensetzung des Bundestages bestimmt die Zweitstimme, mit der die Mandatsanteile der zur Wahl stehenden Listen im Bundestag bestimmt werden § 6 Abs. 2,3 BWahlG. Nach § 6 Abs. 4 werden die Sieger in den Wahlkreisen auf die Landeslisten verteilt, so dass sich bis auf Überhangmandate und die Direktmandatsberücksichtigung in der Sperrklausel eine Verhältniswahl ergibt.
  • Sperrklausel: Es werden bei der Zuteilung der Listenplätze nur Parteien berücksichtigt, die einen Mindeststimmenanteil von 5 % (§ 6 Abs. 3 Satz 1 BWahlG) erreicht oder die in mindestens drei Wahlkreisen ein Direktmandat errungen haben. Befreit von der 5-Prozent-Klausel sind seit 1953 auch Parteien nationaler Minderheiten (§ 6 Abs. 3 Satz 2 BWahlG).

Weitere Konkretisierungen des BWahlG

Das Bundeswahlgesetz gibt die Zahl der zu wählenden Abgeordneten vor (derzeit 598). Es teilt mit der Anlage das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in Wahlkreise ein (§ 2 BWahlG). Die Wahlkreiseinteilung muss sich dem Verlauf der Landesgrenzen anpassen, die Schwankungsbreite von 25 % über und unter dem Mittel darf bei der Bevölkerungszahl nicht über- oder unterschritten werden, das Gebiet soll zusammenhängend sein (§ 3 BWahlG).

Der Wahlberechtigte kann zwei Stimmen, die Erststimme für den Direktkandidaten und die Zweitstimme für die Partei der Landesliste, abgeben (sog. Personalisierte Verhältniswahl, § 4 bis § 7 BWahlG). (Erläuterung siehe: Bundestagswahl)

Als Wahlorgane werden der Bundes-, Landes- und Kreiswahlleiter mit jeweils einem Wahlausschuss gebildet. Für den Wahlbezirk wird ein Wahlvorstand ernannt (§ 8, § 9 BWahlG). Die Berufung in ein solches Organ ist ein Ehrenamt, das nur aus gutem Grund abgelehnt werden darf.

Der Wahltag selbst wird durch den Bundespräsidenten angeordnet. Er muss auf einen Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag fallen. Grundsätzlich ist der Turnus von vier Jahren ausschlaggebend. Der Bundespräsident muss den Wahltag daher frühestens 46 Monate und spätestens 48 Monate nach der Einberufung des vorhergehenden deutschen Bundestages festsetzen.

Die Stimmzettel (§ 30 BWahlG) sind amtlich herzustellen. Neben den Personenvorschlägen werden die Parteien der Landesliste mit deren ersten fünf Bewerbern gelistet. Die Reihenfolge richtet sich nach den Stimmen bei der letzten Bundestagswahl, wenn die Landesliste zuvor nicht daran teilgenommen hat, so werden diese Parteien alphabetisch gelistet.

Die Wahlhandlung (§ 31 bis § 35 BWahlG) ist öffentlich, während die Stimmabgabe geheim ist. Beeinflussungen der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild sind unzulässig. Zur Stimmabgabe sind Wahlkabinen zu stellen, die eine geheime Abgabe ermöglichen. Wer gehindert ist zu wählen, weil er nicht lesen kann oder weil er durch körperliche Umstände nicht wählen kann, kann sich der Hilfe einer anderen Person bedienen.

Der Wähler macht mit einem Kreuz bei den Kandidaten der Erststimme und einem Kreuz bei den Parteien der Zweitstimme seine Wahl kenntlich. Das Kreuz ist in dem dafür vorgesehenen Kreis zu machen. Der Stimmzettel ist dann so zu falten (gegebenenfalls in einen Umschlag zu stecken), dass seine Wahl nicht erkennbar ist. Der Stimmzettel ist dann in die Wahlurne zu werfen.

Die Möglichkeit der Stimmabgabe mit Wahlgeräten wurde durch das Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 24. Juni 1975 (BGBl. I S. 1593) geschaffen, das einen entsprechenden § 35a in das Bundeswahlgesetz einfügte. In der Bekanntmachung der Neufassung des Bundeswahlgesetzes vom 1. September 1975 (BGBl. I S. 2325) wurde dieser zu § 35. Die dazugehörende Bundeswahlgeräteverordnung vom 3. September 1975 (BGBl. I S. 2459) hat das Bundesverfassungsgericht allerdings mit Urteil vom 3. März 2009[4] als mit Artikel 38 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 1 und Absatz 2 des Grundgesetzes insoweit für unvereinbar erklärt, als sie keine dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl entsprechende Kontrolle sicherstellt.

Nach Auszählung aller Stimmen des Wahlbezirkes wird das Ergebnis an den Kreiswahlleiter geleitet. Von dort an den Landes- und von dort an den Bundeswahlleiter. Das amtliche Ergebnis ist festzustellen.

Nachwahl, Ersatzwahl und Wiederholungswahl

Besondere Vorschriften gelten für die Nach-, Ersatz- oder Wiederholungswahlen. Eine Nachwahl ist durchzuführen, wenn im Wahlkreis oder -bezirk die Wahl nicht stattgefunden hat oder stattfinden konnte oder ein Wahlbewerber nach der Zulassung und vor der Wahl verstirbt. Eine Ersatzwahl findet statt, wenn ein direkt gewählter Abgeordneter ausscheidet, der für eine Partei oder Wählergruppe kandidiert hat, für die keine Landesliste zugelassen war. War hingegen eine Landesliste zugelassen und diese ist erschöpft, das heißt, es gibt keine Nachrücker mehr auf der Liste, bleibt der Sitz unbesetzt. Diese im deutschen Gesetz als Ersatzwahl bezeichnete Wahl wird sonst auch Nachwahl genannt. Die Wiederholungswahl ist durchzuführen, wenn sie aufgrund einer Wahlprüfungsbeschwerde notwendig wird. Die Wiederholungswahl findet spätestens 60 Tage nach der Entscheidung statt.

Erfolgreiche (gültige) Wahl

Mit der Erlangung eines Direktmandats oder durch Erlangung eines Mandats über die Listenwahl wird der Bewerber mit der Eröffnung der ersten Sitzung endgültig Mitglied des Deutschen Bundestages. Nach § 45 kann er davor durch eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Landeswahlleiter noch auf die Annahme des Mandats verzichten, was beispielsweise 2021 von Peter Altmaier und Annegret Kramp-Karrenbauer gemacht wurde.[5][6]

Verstöße

Verstöße gegen das Bundeswahlgesetz können als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden (§ 49a BWahlG). Schwerer wiegende Verstöße wie Wählerbestechung oder Wahlfälschung sind Straftaten (§ 107 bis § 108b StGB).

Schlussvorschriften

Zum Bundeswahlgesetz ist die Bundeswahlordnung zur Konkretisierung der Wahlvoraussetzungen insbesondere der Briefwahl erlassen worden. Diese Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrats. Als Anlage ist dem Gesetz die Wahlkreiseinteilung beigefügt.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Pressemitteilung: Neuregelung des Sitzzuteilungsverfahrens für die Wahlen zum Deutschen Bundestag verfassungswidrig. Bundesverfassungsgericht, 25. Juli 2012, abgerufen am 26. Juli 2012.
  2. DIP: Zweiundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
  3. Ursprünglich hatte Art. 38 Abs. 2 GG gelautet: „Wahlberechtigt ist, wer das einundzwanzigste, wählbar ist, wer das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat.“ Das 27. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 31. Juli 1970 (BGBl. I S. 1161) setzte die Wahlberechtigung auf die Vollendung des achtzehnten Lebensjahres und die Wählbarkeit auf das Alter herab, mit dem die Volljährigkeit eintritt. Durch Gesetz vom 31. Juli 1974 (BGBl. I S. 1713) wurde das Volljährigkeitsalter in § 2 dann von einundzwanzig auf achtzehn Jahre herabgesetzt.
  4. 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07, BVerfGE 123, 39
  5. Website des Bundeswahlleiters. Abgerufen am 28. September 2021.
  6. Peter Altmaier und Annegret Kramp-Karrenbauer verzichten auf Bundestagsmandate. In: spiegel.de. 9. Oktober 2021, abgerufen am 9. Oktober 2021.