Vektorbündel

Die obere Grafik zeigt den Kreis mit einigen seiner Tangentialräume. Die zweite Grafik fasst die Tangentialräume zum Tangentialbündel, einem besonderen Vektorbündel zusammen.

Vektorbündel oder manchmal auch Vektorraumbündel sind Familien von Vektorräumen, die durch die Punkte eines topologischen Raumes parametrisiert sind. Vektorbündel gehören damit auch zu den Faserbündeln. Existiert zu jedem Vektorraum des Vektorbündels eine Menge von Basen, so kann auch diese Menge ein Faserbündel bilden. Man spricht dann von Rahmen- oder auch Reperbündeln. Diese speziellen Faserbündel sind zugleich auch Hauptfaserbündel.

Anschaulich besteht ein Vektorbündel aus je einem Vektorraum für jeden Punkt des Basisraumes. Da Vektorräume gleicher Dimension jedoch stets isomorph sind, liegt die wesentliche Information in den Beziehungen zwischen diesen Vektorräumen. Das bekannteste Beispiel für ein Vektorbündel ist das Tangentialbündel einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit. Der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Tangentialräumen, also den Vektorräumen zu den einzelnen Punkten, äußert sich beispielsweise in der Frage, ob ein Vektorfeld differenzierbar ist.

Die Frage, wie Vektorbündel auf einem Raum aussehen können, hängt eng mit globalen topologischen Eigenschaften des Raumes zusammen. Nicht-isomorphe Vektorbündel können oft durch ihre charakteristischen Klassen unterschieden werden.

Definitionen

Vektorbündel

Illustration des Vektorbündels . Hier ist der Totalraum und der Basisraum . Die Abbildung projiziert jede Gerade auf den Punkt . Der Raum wird Faser über genannt. Außerdem ist der Totalraum die Vereinigung aller Fasern.[2]

Sei ein reeller beziehungsweise komplexer n-dimensionaler Vektorraum. Ein reelles beziehungsweise komplexes Vektorbündel vom Rang ist ein Tripel , bestehend aus topologischen Räumen (Totalraum) und (Basis) sowie einer stetigen surjektiven Abbildung , so dass gilt:

  • Für jeden Punkt von trägt die Faser von über die Struktur eines reellen beziehungsweise komplexen n-dimensionalen Vektorraums.
  • „Lokale Trivialität“: Zu jedem Punkt existiert eine Umgebung von und ein Homöomorphismus
,
der mit kompatibel ist, das heißt , und für den
für jedes in ein Isomorphismus von Vektorräumen ist. Dabei bezeichnet die Projektion auf den ersten Faktor. Ein solches heißt lokale Trivialisierung.

Ein Vektorbündel heißt trivial, wenn es eine Trivialisierung mit gibt. ist ein triviales Vektorbündel.

In verkürzter Ausdrucksweise spricht man oft vom „Vektorbündel “, womit das Tripel implizit benannt wird.

Geradenbündel

Ein Vektorbündel mit Rang 1 wird Geradenbündel (als Fehlübersetzung aus dem Englischen auch Linienbündel) genannt.

Beispiele

Das Möbiusband als ein Vektorbündel über dem Kreis

Homomorphismus von Vektorbündeln

Homomorphismus

Ein Vektorbündelhomomorphismus von dem Vektorbündel in das Vektorbündel ist ein Paar von stetigen Abbildungen und , so dass

Oftmals wird ein Vektorbündelhomomorphismus kurz als Bündelhomomorphismus oder als Homomorphismus bezeichnet.

Isomorphismus

Ein Vektorbündelhomomorphismus von nach ist ein Vektorbündelisomorphismus, falls und Homöomorphismen sind und die induzierte lineare Abbildung ein Vektorraumisomorphismus ist.

Beispiel

Betrachtet man den Kreis als Mannigfaltigkeit, dann ist das Tangentialbündel vom isomorph zu dem trivialen Vektorbündel . Der Homöomorphismus zwischen den Basisräumen ist die identische Abbildung und der zwischen den Totalräumen lautet

für und .

Unterstrukturen

Untervektorbündel

Mit werden die Fasern des Vektorbündels am Punkt bezeichnet. Ein Untervektorbündel des Vektorbündels besteht aus einem topologischen Teilraum bestehend aus einer Familie von Untervektorräumen von , so dass ein eigenes Vektorbündel ist.

Eingeschränktes Vektorbündel

Mit werden wieder die Fasern des Vektorbündels am Punkt bezeichnet und bezeichnet einen topologischen Teilraum. Das auf eingeschränkte Vektorbündel ist definiert durch

.

Das eingeschränkte Vektorbündel ist ein eigenständiges Vektorbündel bezüglich des topologischen Teilraums .

Konstruktionen mit Vektorbündeln

Zurückgezogenes Vektorbündel

Für ein Vektorbündel und eine stetige Abbildung definiert man das zurückgezogene Vektorbündel (engl.: "pull-back" oder "induced bundle", siehe auch Rücktransport) als das Bündel über mit Totalraum

und Projektion . Die Vektorraum-Struktur wird definiert durch . Man kann zeigen, dass dies wieder ein lokal triviales Vektorbündel definiert.

Für die durch definierte Abbildung gilt also und für jedes induziert einen Vektorraum-Isomorphismus .

Für jede Bündelabbildung hat man einen Isomorphismus , wobei die zu gehörende Abbildung der Basen ist.

Direktes Produkt, Whitney-Summe, Tensorprodukt

Für zwei Vektorbündel definiert man das direkte Produkt als

wobei jede Faser mit der Vektorraum-Struktur als direkte Summe der Vektorräume und versehen wird.

Seien jetzt Vektorbündel über derselben Basis, also . Ihre Whitney-Summe wird dann mit Hilfe der Diagonal-Abbildung definiert als zurückgezogenes Bündel

.

Die Whitney-Summe ist also gerade das Vektorbündel über , dessen Faser über die direkte Summe ist.

Analog wird das Tensorprodukt definiert als das Vektorbündel, dessen Faser über das Tensorprodukt ist.

Weitere Objekte bei Vektorbündeln

Schnitt

Ist eine offene Teilmenge von , so heißt eine Abbildung

für die gilt, ein Schnitt von über . Die Menge aller Schnitte von über bildet einen Vektorraum.

Rahmen

Unter einem Rahmen (englisch frame, französisch repère) versteht man eine Art Basis eines Vektorbündels. Es handelt sich um n linear unabhängige Vektoren zu jeder Faser. Diese Vektoren bilden also an jedem Punkt eine Basis der Faser. Präzise bedeutet dies:

Sei ein Vektorbündel mit Rang und sei eine offene Teilmenge des Basisraums. Ein lokales Reper oder Rahmen von über ist ein geordnetes n-Tupel . Dabei ist für alle i ein Schnitt in über , so dass eine Basis der Faser für alle bildet. Falls man wählen kann, so spricht man von einem globalen Rahmen.

Vektorbündel mit zusätzlichen Strukturen

Differenzierbares Vektorbündel

Sei ein Vektorbündel. Sind und differenzierbare Mannigfaltigkeiten und sind die Projektion sowie die Trivialisierungen differenzierbar, so heißt das Vektorbündel differenzierbar. Es heißt glatt, wenn die Mannigfaltigkeiten glatt sind und die Abbildungen beliebig oft differenzierbar sind.

Holomorphes Vektorbündel

Ein holomorphes Vektorbündel ist ein komplexes Vektorbündel über einer komplexen Mannigfaltigkeit , so dass der Totalraum eine komplexe Mannigfaltigkeit und die Projektion eine holomorphe Abbildung ist.

G-Vektorbündel

Sei eine Gruppe. Wenn und G-Räume sind, dann ist ein Vektorbündel ein G-Vektorbündel falls die Gruppenwirkung

für alle eine lineare Abbildung ist.[3]

Klassifizierender Raum und klassifizierende Abbildung

Der klassifizierende Raum für -dimensionale reelle Vektorbündel ist die Graßmann-Mannigfaltigkeit der -dimensionalen Unterräume im , diese wird als bezeichnet. Das bedeutet: jedes -dimensionale reelle Vektorbündel ist von der Form für eine stetige Abbildung (die sogenannte klassifizierende Abbildung des Bündels) und das tautologische Bündel , und zwei Bündel sind isomorph genau dann, wenn ihre klassifizierenden Abbildungen homotop sind.

Analog ist , die Graßmann-Mannigfaltigkeit der -dimensionalen Unterräume im , der klassifizierende Raum für -dimensionale komplexe Vektorbündel.

Stabile Vektorbündel

Zwei Vektorbündel und heißen stabil äquivalent, wenn es triviale Vektorbündel (nicht notwendig derselben Dimension) mit

gibt. Die Äquivalenzklassen dieser Äquivalenzrelation werden als stabile Vektorbündel bezeichnet. (Diese Definition steht in keinem Zusammenhang mit dem Begriff der stabilen Vektorbündel in der Algebraischen Geometrie.)

Es seien und die aufsteigenden Vereinigungen (d. h. die Kolimiten bzgl. der mittels definierten Inklusionen und ), dann kann man zu einem Vektorbündel und seiner klassifizierenden Abbildung bzw. die Komposition mit der Inklusion bzw. betrachten. Zwei Vektorbündel sind genau dann stabil äquivalent, wenn die entsprechenden Abbildungen bzw. homotop sind.

Vektorbündel in der algebraischen Geometrie

Definition

Für (algebraische) Vektorbündel in der algebraischen Geometrie sind und Schemata, ist für alle Punkte von ein -Vektorraum, und die lokalen Trivialisierungen sind Isomorphismen

Meist ist mit „Vektorbündel“ in der algebraischen Geometrie jedoch eine lokal freie Garbe gemeint (s. u.).

Lokalfreie Garbe

Es sei ein lokal geringter Raum, z. B. ein topologischer Raum mit der Garbe der stetigen reell- oder komplexwertigen Funktionen, eine differenzierbare Mannigfaltigkeit mit der Garbe der -Funktionen oder ein Schema.

Eine lokal freie Garbe ist ein -Modul , der lokal isomorph zu einem freien -Modul ist, d. h. kann durch offene Mengen überdeckt werden, für die isomorph zu einer direkten Summe von Kopien von ist.

Lokalfreie Garben und Vektorbündel

Die beiden folgenden Konstruktionen liefern im Fall von topologischen Räumen oder differenzierbaren Mannigfaltigkeiten eine Äquivalenz der Kategorien von lokal freien Garben sowie Vektorbündeln auf (der Einfachheit der Notation halber ist der Fall von reellen Vektorbündeln über einem topologischen Raum beschrieben):

  • Einem Vektorbündel wird die Garbe seiner Schnitte zugeordnet.
  • Einer lokal freien Garbe wird die disjunkte Vereinigung ihrer Fasern zugeordnet. Wir wählen eine offene Überdeckung von , so dass auf jedem trivial wird. Eine Trivialisierung definiert nirgends verschwindende Schnitte von über , die fasernweise eine Basis bilden. Diese definieren eine Abbildung
,
und wir definieren die Topologie auf dadurch, dass wir fordern, dass diese Abbildungen Homöomorphismen sind. Sie ist wohldefiniert, da sich diese Abbildungen über dem Schnitt zweier Mengen und nur um einen Homöomorphismus (genauer gesagt einen stetig variierenden Vektorraumautomorphismus von ) unterscheiden.

Im Fall der algebraischen Geometrie ist diese Konstruktion etwas einfacher: das Bündel zu einer lokalfreien Garbe ist

dabei bezeichnet die symmetrische Algebra und das Algebrenspektrum.

Weiterführende Begriffe

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Thomas Friedrich: Dirac-Operatoren in der Riemannschen Geometrie. 1. Auflage. Vieweg, 1997, ISBN 3-528-06926-0.
  2. John Baez, Javier P. Muniain: Gauge fields, knots and gravity (= Series on knots and everything. 4). World Scientific, Singapore u. a. 1994, ISBN 981-02-2034-0, S. 200.
  3. Graeme Segal: Equivariant K-theory (Memento vom 22. Juni 2010 im Internet Archive)