Mortalität

Mortalität (von lat. mortalitas „Sterblichkeit“), Mortalitätsrate, Sterblichkeit oder Sterberate sind Begriffe aus der Demografie. Sie bezeichnen jeweils die Anzahl der Todesfälle bezogen auf die Gesamtanzahl der Individuen oder – bei der spezifischen Sterberate – bezogen auf die Anzahl in der betreffenden Population, und zwar immer in einem bestimmten Zeitraum (im Gegensatz zur Quote, die sich nicht auf einen Zeitraum bezieht). Die Mortalität im Sinne von Sterbewahrscheinlichkeit findet sich in der ersten Spalte jeder Sterbetafel.

Die Sterbeziffer oder Mortalitätsziffer bezeichnet das Verhältnis der Anzahl der Sterbefälle zum Durchschnittsbestand einer Population.[1]

Die rohe Mortalität ist die Anzahl der Todesfälle pro Gesamtbevölkerung pro Zeit, beispielsweise pro 1000 Personen und ein Jahr. Die altersspezifische Mortalität, zum Beispiel Kindersterblichkeit, gibt die Todesfälle pro Altersklasse pro Zeit an. Letalität (Tödlichkeit) ist die Mortalität bezogen auf die Gesamtzahl der an einer Krankheit Erkrankten. Bei der Säuglings- oder der Müttersterblichkeit bildet die Zahl der Ereignisse (Geburten) die Bezugsgröße, nicht die Bevölkerungsgröße.

In der Epidemiologie ist die (krankheitsspezifische) Mortalität das Verhältnis der Anzahl der in einer Population in einem Zeitraum an einer Krankheit gestorbenen Individuen zur Anzahl der Individuen in der Population (in der Regel auf 100.000 Einwohner bezogen). Die Letalität ist dagegen das Verhältnis der Anzahl der an einer bestimmten Krankheit gestorbenen Individuen zur Anzahl der an dieser Krankheit erkrankten Individuen.[2]

Mortalitätskurve

Altersspezifische Sterberaten in Deutschland der Jahre 1990 und 2010 (log. Skala)[3]

Nach dem Geburtsrisiko sinkt die Sterberate auf ihren Minimalwert für Acht- bis Zehnjährige mit ca. 20 Todesfällen pro 100.000 Personen der Altersklasse pro Jahr (tpj = Todesfälle pro Jahr (pro 100.000 Personen)), siehe Diagramm. Mit fast 50 % sind Unfälle die häufigste Todesursache dieser Altersklasse.[4] Für 15- bis 20-Jährige bilden ebenfalls Unfälle das Hauptrisiko (40 tpj), gefolgt von Mord (ca. 18 tpj für USA, 40 tpj für Südafrika, 5 tpj für Deutschland) und Suizid (12 tpj). Mit zunehmendem Alter bleiben die Suizidrate und die Unfallhäufigkeit nahezu unverändert, während Krankheiten den Hauptanteil an der Sterberate von 800 tpj bei den 50- bis 60-Jährigen darstellen.

Abraham de Moivre (1725) approximierte die altersabhängige Sterblichkeit durch eine hyperbolische Zunahme des Sterberisikos, begrenzt durch ein maximales Lebensalter. Benjamin Gompertz (1824) schlug eine exponentielle Zunahme der Mortalität vor, was die beobachteten Daten ab dem 30. Lebensjahr gut wiedergibt. Verfeinerte Modelle führen weitere Parameter ein.

Modellierung nach Gompertz

Im Gompertz-Diagramm (siehe Mortalitätskurve oben) wird der Logarithmus der Sterberate über dem Lebensalter aufgetragen. In der logarithmischen Darstellung ist zu sehen, dass ab einem Alter von ca. 30 Jahren der Anstieg annähernd linear verläuft: Die Sterberate verdoppelt sich in etwa in konstanten Zeitintervallen. Diese Zeitspanne kürzt man auch als MRDT von mortality rate doubling time ab (oder MRD). Der lineare Anstieg in der logarithmischen Darstellung entspricht einer exponentiellen Zunahme der Sterberate mit dem Lebensalter. Bei der mathematischen Modellierung wird üblicherweise der natürliche Logarithmus verwendet, sodass die Sterberate wie folgt beschrieben wird:

Dabei bezeichnet die Sterblichkeit im Alter von 30 Jahren. Eine Anpassung für den Parameter liefert einen Wert von , das entspricht einer MRDT von Jahren. Der Faktor heißt Gompertz-Sterbekoeffizient. Studien haben ergeben, dass die MRDT seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bis heute typischerweise in Australien, den USA, Japan und Nordeuropa zwischen 7 und 9 Jahren liegt.[5][6] Daher wird der Wert oft mit 8 abgeschätzt.

Werte des MRDT für andere Tierarten sind zum Vergleich: Labormaus 0,27 Jahre, Laborhamster 0,5, Rhesusaffe 15, Pferd 4, Haushund 3, Heringsmöwe 5, Königsfasan 1,6 Jahre.[5]

Beispiele für Mortalität

Die 10 häufigsten Ursachen für Mortalitäten in Deutschland:[7]

Vergleich von Mortalitäten:

  • Säuglingssterblichkeit um 2013 in Deutschland: Mortalitätsrate 22[8]
  • Müttersterblichkeit bei Geburt 2003 in Deutschland: 12 pro 100.000 Gebärende, bei Geburt 2003 in Kenia: 1300 pro 100.000.
  • Verkehrssterblichkeit 2004: Todesfälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr: in Deutschland 8, in den Niederlanden 5.[9]
  • Todesfälle durch Blitzschlag in Deutschland heutzutage: durchschnittlich drei bis sieben Todesopfer pro Jahr in Deutschland, also unter 0,01 pro 100.000 Einwohner pro Jahr[10] Im 19. Jahrhundert wurden in Deutschland noch an die 300 Personen jährlich vom Blitz getötet, da wesentlich mehr Menschen auf freiem Feld in der Landwirtschaft arbeiteten und sich nicht in schützende Objekte wie Autos, Traktoren oder Mähdrescher zurückziehen konnten.

Besser als die allgemeine oder rohe Mortalität eignet sich die mittlere Lebenserwartung für den Vergleich unterschiedlicher Regionen, da diese die möglicherweise unterschiedliche altersstrukturelle Zusammensetzung der Bevölkerung ausgleicht. Bezogen auf die Altersstruktur weisen stark unterschiedliche Bevölkerungen auch sehr unterschiedliche Mortalitätsraten auf.

Oft wird aus der Mortalität/Jahr für eine Risikobewertung eine allgemeine Sterbewahrscheinlichkeit abgeleitet. Beispielsweise sterben in Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern etwa fünf Personen pro Jahr an Blitzschlag. Wird ein Lebensalter von 80 Jahren angenommen, beträgt das Risiko, innerhalb der 80 Jahre am Blitzschlag zu sterben, 1:200.000. Entsprechend liegt das Verkehrsunfallrisiko in Deutschland bei 1:150. Schließlich ist das allgemeine Risiko, innerhalb von 80 Lebensjahren zu sterben, 1:1,25 = 80 %.

Die Mortalitätsrate in der Tierproduktion gibt an, wie viel Prozent der Nutztiere während der Aufzucht verenden. In der Schweizer Geflügelproduktion mit BTS-Standard liegt dieser Wert bei rund 4 %.[11]

Einflussgrößen

Einflussgrößen für die Mortalität sind vor allem:

  • Ökologische Determinanten (insbesondere Umwelt, Vorsorge vor Naturkatastrophen)
  • Sozioökonomische, politische und kulturelle Determinanten (körperliche Arbeit, Arbeitsschutz, Einkommen, Ernährung, Lebensstil, Krieg, Verkehr, …)
  • Medizinische Determinanten (zum Beispiel genetische Faktoren, Qualität der medizinischen Versorgung, Schutzimpfungen, gesundheitliche Aufklärung, Hygienevorschriften etc.)
  • Während er sich statistisch herausmittelt, verbleibt der Zufall als Schicksal für den Einzelnen: Glück und Unglück.

Standardisierte Mortalitätsrate

Die „Standardisierte Mortalitätsrate“ befasst sich mit den Angaben der Sterbefälle von Personengruppen und macht diese bzgl. Alter, Geschlecht etc. mathematisch vergleichbar.

Verwendung

Geburtenrate und Sterberate bilden wichtige Parameter zur Bestimmung der Altersverteilung einer Gesellschaft und Populationsdynamik im Allgemeinen.

Die Mortalität wird auch in manchen Kriterien der Risikoanalyse verwendet (siehe Minimale endogene Mortalität). In der Technik werden Ausfallwahrscheinlichkeiten im Rahmen der Ereigniszeitanalysen untersucht.

Die Sterberate spielt eine Rolle bei der Einschätzung der saisonalen Grippe und von Pandemien. Dabei wird die Sterblichkeit mit den Mittelwerten vergangener Jahre ohne die Epidemie verglichen. Auf diese Weise werden Übersterblichkeiten festgestellt, die der Epidemie zugeordnet werden können. Ab 2008 unterstützte die GD Sante den Aufbau des Projektes Euromomo[12] zum europaweiten Monitoring der Mortalität. Es sammelt Daten aus 18 europäischen Staaten, den vier Landesteilen des Vereinigten Königreiches sowie zwei deutschen Bundesländern fortlaufend und zeitnah, um auf die saisonale Influenza oder auf eine Pandemie zurückgehende Einflüsse auf die Sterberaten länderübergreifend sichtbar zu machen. Unterstützung erfährt das Projekt inzwischen auch vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Siehe auch

Literatur

  • Ladislaus von Bortkewitsch: Die mittlere Lebensdauer. Die Methoden ihrer Bestimmung und ihr Verhältnis zur Sterblichkeitsmessung. Gustav Fischer, Jena 1893 (Digitalisat).
  • Rainer Wehrhahn, Verena Sandner Le Gall: Bevölkerungsgeographie. WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 2011, ISBN 978-3-534-15628-3, S. 36–45.
  • „I – Z“. In: Wilhelm Kirch (Hrsg.): Encyclopedia of Public Health. 1. Auflage. Band 2. Springer, Berlin 2008, ISBN 978-1-4020-5615-4, Mortality, Mortality Rate – Definition, S. 966 f. (englisch, 1601 S., Leseprobe [abgerufen am 26. Januar 2022]).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. 258. Auflage. De Gruyter, 1998.
  2. Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie. Fachwörter – Definitionen – Interpretationen, Robert Koch-Institut, 2015.
  3. The Human Mortality Database. University of California, Berkeley und Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Stand 5. Mai 2013.
  4. Sterberate in den USA.
  5. a b Finch u. a.: Slow mortality rate accelerations during aging in some animals approximate that of humans. Science 249, 1990, 902–905, doi:10.1126/science.2392680 JSTOR 2877958.
  6. Finch: The Biology of human longevity. Academic Press, 2007, S. 12.
  7. Die Daten stammen aus dem Statistik-Tool der BinDoc GmbH, das auf Datengrundlage der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (abgerufen am 28. April 2020) erstellt wurde.
  8. prb.org. Abgerufen am 14. April 2021.
  9. Unfälle. Bei: gbe-bund.de.
  10. Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: Sterbefälle nach äußeren Ursachen und ihren Folgen (ab 1998). Gesundheitsberichterstattung des Bundes (Deutschland).
  11. Keine Manipulation beim Hühnerbericht. SRG SSR, 8. Mai 2018, abgerufen am 23. November 2020.
  12. euromomo.eu