Festkörperphysik

Die Festkörperphysik befasst sich mit der Physik von Materie im festen Aggregatzustand. Von besonderer Bedeutung sind dabei kristalline Festkörper. Das sind solche, die einen translationssymmetrischen (periodischen) Aufbau aufweisen, da diese Translationssymmetrie die physikalische Behandlung vieler Phänomene drastisch vereinfacht oder erst ermöglicht. Daher erfolgt die Anwendung des Modells des idealen Kristallgitters häufig auch dann, wenn die Bedingung der Periodizität nur sehr eingeschränkt, zum Beispiel nur sehr lokal erfüllt ist. Die Abweichung von der strengen Periodizität wird dann durch Korrekturen berücksichtigt.

Supraleiter gehören zum Forschungsgebiet der Festkörperphysik.

Erscheinungsformen von Festkörpern

Kristalline Festkörper

Vier Beispiele für kristalline Festkörper: Coltan, Kassiterit, Wolframit und Gold

Die Physik kristalliner Festkörper (Kristallphysik) befasst sich mit Festkörpern, die einen periodischen Aufbau aufweisen.

  • Die Kristallstruktur repräsentiert die statische periodische Ordnung im kristallinen Festkörper.

Teilkristalline Substanz

Eine teilkristalline Substanz, die zwar eine gewisse Nahordnung im Bereich von 4,5–6 Å[1] aufweist, im Gegensatz zu einem Kristall aber keine ausgeprägte Fernordnung, ist ein Parakristall.

Amorphe Festkörper

Metallisches Glas ist ein amorpher Festkörper.

Die Physik amorpher Festkörper befasst sich mit Festkörpern, die keine Fernordnung aufweisen.

Grenzflächenphysik

Die Grenzflächenphysik befasst sich mit den Besonderheiten an Grenzflächen, die Oberflächenphysik ist ein Spezialfall der Grenzflächenphysik bei Grenzflächen zum Vakuum. Die physikalischen Eigenschaften der wenigen Atomlagen nahe der Grenzfläche unterscheiden sich aufgrund der nicht-periodischen Randbedingungen von der Physik im Inneren, das auch Volumen-Festkörper genannt wird.[2]

Ordnungszustände in Festkörpern

Bei der Beschreibung der Regelmäßigkeit im Aufbau des Festkörpers betrachtet man einerseits die Nahordnung im Bereich weniger Nanometer und andererseits die Fernordnung, die sich auf weit größere Entfernungen bezieht.

Nahordnung bis Fernordnung in Festkörpern
Zustand Reichweite der Ordnung Beispiel
amorph (Nahordnung) nächste und übernächste Teilchen Glas
nanokristallin Nanometer Parakristall
mikrokristallin Mikrometer Quarz
polykristallin Millimeter Polykristalliner Diamant
monokristallin (Fernordnung) Zentimeter monokristalline Ingots

Themengebiete moderner Forschung

Untersuchungsmethoden in der Festkörperphysik

In der Festkörperphysik, ähnlich wie in der Festkörperchemie, werden eine Reihe von Methoden verwendet, um die Eigenschaften insbesondere von funktionellen Materialien zu untersuchen und deren Eigenschaften in Tiefe der Struktur zu verstehen. Das ist in vielen modernen Anwendungen wie Elektronik, Computerchips, Halbleitertechnik, Solarzellen, Batterien, Beleuchtung, Metallen oder Isolatoren von Bedeutung. Zu den wichtigen Methoden zählen:

Die Röntgenbeugung nutzt den Effekt der Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallgittern zur Untersuchung der Symmetrieeigenschaften von Festkörpern, die in 230 verschiedenen sogenannten Raumgruppen vorliegen. Dazu werden Röntgendiffraktometer eingesetzt. Materialien können damit auch auf ihre Qualität und Reinheit sowie die Kristallitgröße untersucht werden.

Die Neutronenbeugung nutzt denselben Beugungseffekt mit den gleichen Grundprinzipien wie die Röntgenbeugung, jedoch werden statt der Röntgenstrahlen Neutronen eingesetzt, die meist in Forschungskernreaktoren bereitgestellt werden. Aufgrund der anderen Welleneigenschaften des massereichen Neutrons gegenüber der Röntgenstrahlung sind die Diffraktometer sehr groß, meist mehrere Meter. Neben den 230 Raumgruppen lassen sich insbesondere magnetische Ordnungen in Kristallen untersuchen. Unter Hinzuziehung des Spins erweitern sich die magnetischen Raumgruppen auf 1651.

Mit Magnetometern werden insbesondere die magnetischen Eigenschaften untersucht. Eine der häufigen Methoden ist das SQUID in Verbindung mit Kryostaten, um die verschiedenen Arten des Magnetismus zu bestimmen und die magnetischen Phasendiagramme zu ermitteln.

Mit Tracerdiffusion wird die Diffusion von Atomen und Ionen in Kristallen untersucht. Dies ist wichtig bei Dotierungsprozessen oder für die Temperaturstabilität von Materialien, z. B. bei der Festoxidbrennstoffzelle.

Während die bisherigen Methoden makroskopische Eigenschaften messen, können mit Methoden der Nuklearen Festkörperphysik lokale Strukturen auf atomarer Ebene untersucht werden, indem Atomkerne als Sonde verwendet werden. Damit kann z. B. die Größe des magnetischen Feldes am Ort des Kerns gemessen werden oder auch lokale Defekte im Kristallgitter. Eine andere wichtige Größe sind elektrische Feldgradienten, mit denen die lokale Struktur und deren Änderung bei Temperaturänderung oder Konzentrationsänderung bestimmter Komponenten im Material erforscht wird. Messmethoden sind z. B. Mößbauer-Spektroskopie, Gestörte Gamma-Gamma-Winkelkorrelation, Kernspinresonanzspektroskopie oder Myonenspinspektroskopie.

Literatur

Einzelnachweise

  1. M. Popescu, H. Bradaczek: Microparacrystalline model for medium-range order in non-crystalline chalcogenides. In: Journal of Optoelectronics and Advanced Materials. Band 3, Nr. 2, Juni 2001, S. 249–254 (dtic.mil [PDF; 437 kB; abgerufen am 21. September 2016]).
  2. Horst-Günter Rubahn, Frank Balzer: Laseranwendungen an harten und weichen Oberflächen. Springer-Verlag, 2005, ISBN 978-3-519-00490-5, S. 1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Andreas Battenberg (Red.): Supraleitung im Land der „schweren Elektronen“. Wechselspiel von elektronischem Magnetismus, Kernspins und Supraleitung. In: Nachrichten aus dem Physik-Department. Physik-Department · Technische Universität München, 1. Februar 2016, abgerufen am 19. September 2016.